Bundesweites Modellprojekt 2015 – 2020 zum Schutz von Mädchen und Jungen mit Behinderung* vor sexualisierter Gewalt in Institutionen
Von 2015 bis 2020 führte die DGfPI in Kooperation mit Fachkräften aus 10 Fachberatungsstellen das Modellprojekt „BeSt – Beraten & Stärken“ durch.
Ziel dieses Modellprojektes war die gezielte und nachhaltige Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigungen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen.
Das Modellprojekt war ein Angebot für teilstationäre und stationäre Einrichtungen, in denen Mädchen und Jungen mit leben, lernen oder betreut werden. Aufgrund des großen Interesses am Modellprojekt konnten auch einzelne Schulen und Kindertagesstätten am Modellprojekt teilnehmen.
Insgesamt nahmen bundesweit 82 Einrichtungen, in denen Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigungen leben, lernen oder betreut werden teil. Die 82 Einrichtungen wurden bis zu 2 Jahre lang bei der Entwicklung von einrichtungsspezifischen Kinderschutzkonzepten begleitet. Dabei wurden folgende Organisationsentwicklungsmaßnahmen durchgeführt:
- Beratung der Leitungskräfte
- Steuerungs-/Arbeitsgruppen zur Entwicklung und Implementierung von Schutzkonzepten
- Fortbildungen zum Thema sexualisierte Gewalt
- Durchführung und Implementierung des im Projekt entwickelten Präventionsprogrammes “ Was tun gegen sexuellen Missbrauch? Ben und Stella wissen Bescheid!“
- Qualifizierung von Fachkräften zur selbstständigen Durchführung des Präventionsprogrammes
Über 3000 Leitungskräfte und Mitarbeiter*innen aus (teil-)stationären Einrichtungen, Schulen und Kindertagesstätten nahmen an Beratungen, Arbeitsgruppen und Fortbildungen teil, und über 800 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit unterschiedlichen Formen der Beeinträchtigungen nahmen an Präventionsprogrammen teil. 92 Fachkräfte wurden zur Durchführung des Präventionsprogrammes qualifiziert.
Die Veröffentlichungen des Modellprojektes finden Sie weiter unten.
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Das Modellprojekt wurde durch das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen | FIVE Freiburg (SoFFI F.) wissenschaftlich evaluiert.
- 1198 Leitungskräfte und Mitarbeiter*innen der 82 teilnehmenden Einrichtungen wurden per Fragebögen befragt.
- Zusätzlich wurden Fachkräfte der kooperierenden Fachstellen sowie Leitungskräfte und Mitarbeiter*innen der 82 Einrichtungen in Fokusgruppen und Interviews befragt.
- Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigungen wurden in einer eigenen Interviewstudie befragt.
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Das Modellprojekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Das Projekt wurde in der zweiten Auflage des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention als Maßnahme zur Umsetzung von Art. 7 und 16 der UN-Behindertenrechtskonvention genannt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, S. 84).
Weiterhin wird es unter dem Titel „BeSt – Advising & Strengthening“ im Bericht der European Union Agency for Fundamental Rights als ausgewähltes Beispiel genannt (FRA 2015).
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Die Erfahrungen, Ergebnisse und Empfehlungen aus dem Projekt sind wie folgt veröffentlicht:
- „Schutz vor sexualisierter Gewalt in Einrichtungen für Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigungen – Ein Handbuch für die Praxis“
- Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung
Bericht 1 Statistische Daten und Zusammenfassung der quantitativen Evaluation (Fragebogenerhebungen)
Bericht 2 Ergebnisse der qualitativen Evaluation (Interviews, Fokusgruppen und Gruppendiskussionen)
- Expertise zu rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang von Sexualität und Behinderung im Rahmen des Modellprojekts BeSt – Beraten & Stärken
- Bildungs- und Präventionskonzept „Was tun gegen sexuellen Missbrauch? Ben und Stella wissen Bescheid!“ mit folgenden Bausteinen:
- 6-tägiges Bildungs- und Präventionsprogramm für Kinder und Jugendliche
- Homepage für Kinder, Jugendliche, Eltern, Sorgeberechtige und pädagogische/therapeutische Fachkräfte mit Bildergeschichten und Filmen in einfacher Sprache sowie Audio- und Gebärdensprache-Versionen www.benundstella.de
- Bilderbücher und Broschüren zum Download und zur Bestellung www.benundstella.de
- Qualifizierungsseminare für Fachkräfte zur selbstständigen Durchführung des Programmes
Informationen und Downloads unter: www.benundstella.de
Nähere Informationen finden sie auch hier: „Was tun gegen sexuellen Missbrauch? Ben und Stella wissen Bescheid!“
Das im Modellprojekt entwickelte 6-tägige Präventionsprogramm „Was tun gegen sexuellen Missbrauch? Ben und Stella wissen Bescheid!“ kann bei den im Modellprojekt kooperierenden Fachstellen auf Anfrage gebucht werden.
Die Veröffentlichung des Konzeptes zum 6-tägigen Präventionsprogrammes ist für den Sommer 2021 geplant.
- Vorträge aus der Projektlaufzeit zu Themen wie u.a. Ausmaß an sexualisierter Gewalt, Empfehlungen zur Implementierung von Schutzkonzepten, Forschungsergebnisse zu kindbezogenen Präventionsmaßnahmen/-programmen, Darstellung des Modellprojektes
Inhaltsübersicht und Downloads
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Bei Fragen, Rückmeldungen, Anregungen stehen Ihnen nach wie vor die ehemaligen Projektleitungen Bernd Eberhardt und Annegret Naasner unter folgender Mailadresse zur Verfügung.
* Im Projekttitel „…zum Schutz von Mädchen und Jungen mit Behinderung vor sexualisierter Gewalt in Institutionen“ findet sich der Begriff „Behinderung“. Der Sprachgebrauch orientierte sich hierbei an der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Die Präambel zur BRK erkennt an, „dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt, und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern“ (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, 2008, S. 5).
Alle Beteiligten an diesem Projekt sind sich bewusst, dass Menschen in sehr unterschiedlichem Maße in ihrem täglichen Leben aufgrund von Beeinträchtigungen und/oder chronischen Erkrankungen eingeschränkt sind oder werden und dass Verallgemeinerungen, wie „Kinder und Jugendliche mit Behinderung“, der Vielfalt/ Diversität an möglichen Beeinträchtigungen und Lebenssituationen nicht gerecht werden. Menschen haben ein Recht darauf, dass die Diversität ihrer jeweiligen Lebenssituationen und damit verbundene Risiken sexualisierte Gewalt zu erleben, sowie die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten für den Schutz vor (sexualisierter) Gewalt differenziert beachtet werden.
So haben die Kinder und Jugendlichen, deren Schutz im Mittelpunkt des Projektes stand, unterschiedlichste physische, sinnesbezogene, kognitive und/oder psycho-soziale Beeinträchtigungen, leben in unterschiedlichen Lebenszusammenhängen und sind in unterschiedlichem Maße in ihrem täglichen Leben eingeschränkt. Alle Beteiligten an diesem Projekt waren in ihren Begegnungen, seien es Beratungen, Fortbildungen, Arbeitsgruppen, Präventionsprogramme und in der Erarbeitung von Konzepten bemüht, dieser Vielfalt Rechnung zu tragen.
Bernd Eberhardt und Annegret Naasner (Projektleitungen BeSt)